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Klesha

Klesha, Sanskrit: kleśa, m., übersetzt „Leiden“, „leidvolle Strukturen“.

1. Einführung

Patanjali beschreibt im Yogasutra (2.3-2.9) die fünf Kleshas, die fünf leidvollen Spannungen. Auch als Befleckungen oder Unreinheiten der Seele bezeichnet, tragen diese Bedrückungen oder Leidenschaften maßgeblich zum Leid des Menschen bei. Mit Hilfe einer langfristigen Yogapraxis können diese leidvollen Strukturen erkannt und gebannt, zumindest abgeschwächt werden.

2. Prägungen

Unser Handeln im Alltag wird oft von unserem Autopiloten gesteuert. Wir gehen unseren Pflichten und Tätigkeiten nach, ohne darüber nachzudenken oder gar achtsam bei der Sache zu sein.

Unser Tun ist größtenteils von Mustern geprägt, die sich seit der frühesten Kindheit in uns eingeschrieben haben und uns in unseren Entscheidungen und unserem Handeln beeinflussen. Diese Muster beeinträchtigen unsere Entscheidungsfreiheit und dadurch oft auch unser richtiges Handeln. Wir denken, wir haben das Richtige getan, aber in Wirklichkeit haben wir den Autopiloten entscheiden lassen.

3. Die fünf Kleshas

Patañjali beschreibt die fünf Kleshas als tief in uns sitzende, störende Kräfte, die wir im ausgeglichenen Zustand kaum spüren, die jedoch immer anwesend sind. Wenn wir nicht in uns ruhen, nicht harmonisch, ausgeglichen und ruhig sind, sondern in schwierige Auseinandersetzungen oder konfliktreiche Situationen geraten, können diese Kleshas dominant werden und uns in die Irre leiten.

Diese fünf leidvollen Strukturen sind:

· Avidya – Nichtwissen, Unkenntnis, mangelndes Erkennen der Wirklichkeit, das Nichterkennen dessen, was ist, falsche Erkenntnis, die falsche Anschauung, die das Vergängliche für unvergänglich, das Unreine für rein, das Leidvolle für Freude und das Nicht-Selbst für Selbst hält.

· Asmita – Ichbewusstsein, Ichbezogenheit, Ichverhaftung, Ichheit, egozentrisches Verhalten; der Mensch ist sich nicht bewusst, dass er nie gleichzeitig der Sehende und das Gesehene sein kann, obwohl diese Kräfte doch in ihm koexistieren.

· Raga – Anhaftung, Gier, Verlangen, Begierde, Leidenschaft, blinde Zuneigung, Anhänglichkeit; die Sucht des Menschen, immer wieder Erfahrungen zu suchen, die in der Erinnerung Glücksgefühle auslösen.

· Dvesa – blinde Abneigung, Hass, Vermeidung; Erfahrungen meiden, die Leid bringen könnten.

· Abhinivesa – Lebenswille, Lebensdrang, Todesfurcht, unbegründete Angst, Selbsterhaltungstrieb, Ich-Verliebtheit, Selbstgefühl, die eigene Wichtigkeit in den Vordergrund stellen

Meistens ist es Avidya, also die Verwechslung einer Gegebenheit mit der Wirklichkeit, die zu Egozentrik, blinder Zuneigung, Vorurteilen oder Ängsten führt. Das Nicht-Erkennen dessen, was wirklich ist, führt zu Leid. Das, was wir sehen, schätzen wir anders ein, als es wirklich ist. Durch diese Irrtümer können die anderen Kleshas ebenfalls ihre leidbringende Wirkung entfalten. Daher wird Avidya auch als „Mutter“ der Kleshas bezeichnet.

Asmita entsteht, wenn wir uns nicht darüber im Klaren sind, was das „Selbst“ ist, worüber wir Bewusstheit anstreben, und Wert auf ein oberflächlich verstandenes „Selbst“ legen. Dieses egozentrische Verhalten äußert sich in Eitelkeit, Stolz, Überheblichkeit oder auch Minderwertigkeitsgefühl. Wenn ich jedoch mein wirkliches Selbst erkenne und achtsam und fürsorglich damit umgehe, können meine Handlungen und Entscheidungen aus mir selbst heraus entstehen, unbeeinflusst von meinen Prägungen.

4. Achtsamkeit

Wenn es uns gelingt, egal in welcher Situation auch immer, in unserem wahren Selbst verankert zu bleiben, das zu erkennen, was wirklich ist und nicht mit dem zu verwechseln, was wir für die richtige Anschauung halten, und aus uns selbst heraus zu entscheiden und zu handeln, dann reduzieren sich auch die anderen Kleshas. Dann lassen Begierde und Jagd nach, denn wir finden den beglückenden Moment im Hier und Jetzt. Dann lassen Abneigung und Hass nach, wenn wir erkennen, dass alles miteinander verbunden ist. Und die Angst lässt nach, wenn wir die Erfahrung machen, dass das Leben weitergeht und alles im Fluss bleibt.

Die Arbeit an der Reduzierung der Kleshas hält stets an, denn sie sind nie verschwunden. Phasen der Ausgeglichenheit können sich mit Phasen der inneren Unruhe immer wieder abwechseln. Es braucht also stets die Achtsamkeit im Alltag, die es zu kultivieren gilt.

Literaturangaben und Erklärungen:

Huchzermeyer, Das große illustrierte Yoga-Lexikon, 1. Auflage 2022, Verlag W. Huchzermeyer

R. Sriram, Patanjali - Das Yogasutra, von der Erkenntnis zur Befreiung, Theseus, 2. überarbeitete Auflage, Bielefeld, 2006, ISBN 978-3-89901-241-5