Bhagavadgita
Bhagavadgita, Sankrit: bhagavadgītā f., wörtlich: „der Gesang des Erhabenen“, von bhagavat (übers. der Erhabene, der Göttliche) und gītā (übers. der Gesang). Alternative Schreibweisen: Bhagavad-Gita, Bhagavat Gita, Geeta, Gita.
1. Einführung
Die Bhagavad-Gita ist einer der wichtigsten Texte des Hinduismus und wird in ihrer Bedeutung häufig mit der Bibel verglichen. Sie ist oft übersetzt und interpretiert worden und wird in verschiedenen Yogatraditionen als wichtigster Text für das Verständnis des Yoga gesehen. Sie gehört zu den Smriti-Texten, den erinnerten Texten.
Eingebettet in das Mahabharata, dem „großen Epos der Inder“, entstand die Gita etwa im 5.-2. Jhd. v. Chr. und umfasst 700 Verse in 18 Kapiteln. Sie handelt von der Entscheidungsfindung in extremen Konfliktsituationen und dem Handeln gemäß dem Svadharma, der inneren Berufung. „Daher wird auch der Hindu besonders in schwierigen Lebenslagen, in Widrigkeiten, in Ratlosigkeit in ihren Lehren Hilfe suchen.“ (Schneider, S. 10).
Als Lehrer, bzw. Berater fungiert Krishna, eine der Inkarnationen Vishnus, der seine Sicht an seinen Schüler und Freund Arjuna weitergibt.
2. Inhalt und Handlung
Krieger Arjuna, Anführer der Pandavas, steht auf dem Schlachtfeld, kurz vor dem Beginn des Gefechtes gegen die Kauravas, seine Verwandten. Ihm kommen Zweifel, ob er tatsächlich gegen seine Vettern, die er seit Kindertagen kennt, kämpfen und sie ggf. töten soll. Der Konflikt gründete sich damals in einer Demütigung seitens der Kauravas 13 Jahre zuvor. Rechtfertigt dies nun ein Blutbad?
Es entsteht ein langer Dialog mit seinem Wagenlenker Krishna, der ihn ermutigt, für das eigene Dharma zu kämpfen.
Der Leser lernt dabei vier Yogawege als Mittel der Befreiung kennen:
- Jnanayoga, der Yoga der Erkenntnis
- Dhyana-Yoga, als Weg der Verinnerlichung
- Karmayoga, der Yoga des Handelns in Übereinstimmung mit dem Dharma
- Bhakti-Yoga, als Weg der Hingabe an das Göttliche
Er begegnet Atman und Brahman und wird Zeuge, wie Arjuna in Vishnu-Krishna den Allgott, Bhagavat, den Erhabenen, erkennt, „in dessen Leib die ganze Welt mit ihren Göttern und Wesen vereinigt ist.“ (Huchzermeyer, S. 56)
Das äußere Schlachtfeld der Handlung spiegelt das innere wider. Ein jeder kennt die Konflikte des Lebens und die Gita bietet dem Leser Handlungsoptionen für die Lösung seiner ganz eigenen Probleme an.
Die Schlacht findet statt, und endet blutig.
3. Lehre und Kritik
Krishna erinnert Arjuna an das Gebot der Pflicht, die Erfüllung des Svadharma, ohne jede Rücksicht auf den Erfolg oder das Ergebnis, „ohne Leidenschaft, in Ruhe und Gleichmut, von derselben Gesinnung gegen Jedermann erfüllt, Angenehmes und Unangenehmes, Freude und Schmerz, Gelingen und Misslingen für gleich erachtend, ohne jeden Wunsch und ohne ein persönliches Interesse. (…) (Diese) Werke unterliegen nicht dem Gesetz der Vergeltung. (…) Gleichgültigkeit (…) ist also ebenfalls eine Vorbedingung für die Erreichung des Heils.“ (Schneider, S. 96)
Das pflichtgemäße, wunschlose Handeln ist demnach ein Heilsweg, der dem Rückzug aus dem weltlichen Leben (Weltentsagung, Nichthandeln) und dem Streben nach Erkenntnis gegenübersteht.
„Freude und Schmerz kommen und gehen, verdienen also nicht, dass man sich durch sie bestimmen lässt.“ (Schneider, S. 93) Und weiter: „Wer da weiß, dass der Geist das wahre Ich ist, das die abgenutzten Körper verlässt und in neue eingeht, wie man alte Kleider ablegt und neue anzieht, dass der Geist weder verwundet noch vernichtet werden kann, der klagt nicht über Leid und Tod eines Menschen, d.h. nicht über Dinge, von denen nur der vergängliche Körper betroffen wird.“
Die gleichmütige Grundeinstellung, mit welcher das eigene Handeln absichtslos vonstattengeht, die selbstlose Pflichterfüllung ohne Anhaftung an die Ergebnisse können zu Gleichgültigkeit führen, und damit zu Leid. Die Kritik an der Lehre der Gita liegt im Nicht-Reflektieren der eigenen Handlungen und seiner ggf. schweren Folgen. Denn wo bleiben Moral, Ethik und Verantwortungsbewusstsein, wenn der Tod eines Menschen billigend in Kauf genommen wird, um die „eigene Sache“, die innere Berufung, durchzusetzen?
„Verzweiflung ist oft der erste Schritt auf dem Weg zum spirituellen Leben.“ (Trökes, S. 108)
Literaturangaben und Erklärungen:
Huchzermeyer, Das große illustrierte Yoga-Lexikon, 1. Auflage 2022, Verlag W. Huchzermeyer
Johannes Schneider (Hrsg.), Die Bhagavadgita, In der Übersetzung von Richard Garbe, 2006, Wiesbaden, marixverlag
Anna Trökes, Die kleine Yoga Philosophie, O.W.Barth, 2013, München